Niederdeutsch in der Altmark
1. Die Sprache und ihre Region
Niederdeutsch wird in der Altmark vor allem von älteren Menschen gesprochen. Untersuchungen haben gezeigt, dass noch rund 30% der befragten Bewohner des ländlichen Raumes niederdeutsch aktiv beherrschen. Die Urgroßmütter und Urgroßväter, die dieser Sprache mächtig sind, haben sie jedoch kaum oder gar nicht ihren Kindern oder Enkeln beigebracht.
Das Sprachgebiet der Altmark gehört der Ostniederdeutschen Sprachfamilie an. Um es weiterhin geografisch einzugrenzen sei die nördlich liegende Ohre zu nennen, sowie der westlich angrenzende Teil des Jerichower Landes, der Raum um Havelberg und ein Teil der Prignitz. Städte in der Altmark wären u.a. Salzwedel, Gardelegen, Stendal und Genthin. (Vgl. Föllner 1998). Sprachlich wird dieser Raum in das Ost-Altmärkische und das West-Altmärkische unterteilt.
Niederdeutsch ist eine Varietät des Deutschen. Die Existenz- bzw. Erscheinungsformen der Sprache werden in der Sprachgemeinschaft auch Varietäten genannt. Zu den Varietäten gehören u.a. die Hochsprache, der Dialekt oder auch Mundarten.(Vgl. Löffler 2010) Das Ost-Altmärkische und das West-Altmärkische als Varietät des Deutschen ist eine solche Mundart.
2. Der Gebrauch des Altmärkischen
Beiden altmärkischen Mundarten ist gemein, dass die zweite Lautverschiebung ausblieb. So sind Appel, Plumen, helpen, slapen nicht zu Apfel, Pflaumen, helfen, schlafen geworden. Auch die frühneuhochdeutsche Diphtongierung wurde "igroriert":
Mien Muddi wohnt in en Hus.
Meine Mutter wohnt in einem Haus.
Zuletzt sei der Ausfall des Nasal <n> vor Reibelauten genannt: fief anstatt fünf
Die Ostaltmark, zum Beispiel der Raum um Osterburg, ist gekennzeichnet durch ein moderneres Niederdeutsch, im Gegensatz zum eher konservativen West-Altmärkische. Gemeint sei hier der Einfluss der hochdeutschen Neuerungen. Diese Mundart hat in der Sprachentwicklung vermehrt Lexik, wie Schwester, oder auch das heutige Flexionsmuster: ich habe, du hast, […] → ick häw, du häst,[…] übernommen. Das erleichtert das Erlernen dieser Sprache ungemein, da man auf seine muttersprachlichen Kenntnisse zurückgreifen kann. Eine mit dem Englischen auftretende Gemeinsamkeit besteht in derselben Satzgliedstellung: Englisch: „I don´t like to go out in the rain.“
Ost-Ältmärkisch: „Ick mag dat nich, gahn rut bi Regen.“
Aber auch ähnelnde Lexik sei hier genannt. Zum Beispiel heißt das Ost-Altmärkische Wort Unkle, genau das gleiche wie das Englische Pendant uncle, nämlich Onkel.
Die Ähnlichkeiten zur hochdeutschen Lexik und Grammatik erleichtert das Erlernen der Zweitsprache Niederdeutsch. Wie bereits gezeigt, ähnelt das Niederdeutsche in der Satzgliedstellung auch dem Englischen. Würde man bereits im Vorschul- bzw. Schulalter eine niederdeutsche Varietät erlernen, vereinfacht es in den höheren Schulstufen das Aneignen der englischen Sprache.
Die Westaltmark und zum Beispiel die Region um Salzwedel ist eine traditionelle Form des Niederdeutschen. Das Wort Süster wird zur Verdeutlichung von Merkmalen der Lautung und Lexik verwendet. Zum Beispiel wurde das Wort für Schwester nicht vom Hochdeutschen übernommen, sondern blieb Süster. Auffällig hieran ist die ausgebliebene zweite Lautverschiebung. Das <s> anstelle des hochdeutschen <sch> bleibt. Auch wird hier das <w> weggelassen und anstelle des <e> bleibt der Umlaut <ü>.
Grammatikalische Gebilde, wie die oben bereits erwähnte Flexion und Satzgliedstellung ist ein typisches Erkennungsmerkmal des West-Altmärkischen:
West-Altmärkisch: „An wecken Wochendach deist du Dütsch hämm?“
Hochdeutsch: „An welchem Wochentag hast du Deutsch?“
wörtlich ins Hochdeutsche wäre es: „An welchem Wochentag tust du Deutsch haben.“
Die Verwendung von tun und dem Infinitiv (z.B. haben) erinnert sehr an Ausdrücke, die in der Umgangsprache verwendet werden. Wie: „Ich tu die Milch eingießen.“. Was in manchen 'Sprach-Ohren' Schmerzen verursacht, kann ein Indiz für das leichtere Einprägen der Satzstellung und Verwendung von solchen Verbkombinationen sein und as Erlernen dieser Zweitsprache vereinfachen.
Hervorzuheben ist, dass an etlichen Schulen in Arbeitsgemeinschaften den Schülerinnen und Schülern das Niederdeutsche ihrer Region, z.B. in der Gesamtschule Flessau oder Diesdorf, nahe gebracht wird